Unsere Geschichte

Historie Eisenbahner Sportverein Blau-Gold Frankfurt (Main) e.V.

1920 - 1945

Seiner eigenen Überlieferungen zufolge fragte Hans Baumeister, Technischer Reichsbahn-Obersekretär, seinen Kollegen Schollmeier im März 1920, ob man denn nicht einen Eisenbahner - Sportverein gründen könnte. Man hatte bereits damals erkannt, dass der Beruf des Eisenbahners mit Schichtarbeit rund um die Uhr und häufigen Wohnortwechseln mit den Strukturen „normaler“ Vereine nicht ohne weiteres kompatibel war. Kurze Zeit später, am 1. April 1920, fand die konstituierende Sitzung des

„Reichsbahn- Turn- und Sportverein Frankfurt (M) e.V.“

(abgekürzt gemäß der damaligen Satzung: RTSV) in der Kantine des Frankfurter Hauptbahnhofes statt. Der Verein wuchs schnell und entwickelte sich in den dreißiger Jahren mit über 3000 Mitgliedern in 16 Abteilungen zum zweitgrößten Sportverein Deutschlands.

Nicht nur aufgrund der engen Verflechtungen mit dem staatlichen Reichsbahnkonzern wurde der Verein nach der Regierungsübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 schnell auf die Linie der neuen Machthaber gebracht und - wie in der Folge auch alle anderen Vereine - „gleichgeschaltet“. Um das Jahr 1936 erfolgte der Zusammenschluss mit dem Fußballverein SC Rot-Weiss Frankfurt. Der damalige Schriftverkehr mit dem Sportamt, der von einer angeblichen Misswirtschaft des jüdischen Vorstandes des SC Rot-Weiss Frankfurt berichtet, lassen den Zusammenschluss allerdings eher als eine von der Obrigkeit verordnete Zwangsehe erscheinen.

Die Aufnahme der Vereinsfarben des angeschlossenen Fußballvereins in den fortan verwendeten Vereinsnamen Reichsbahn- Turn- und Sportverein Rot-Weiß Frankfurt (Main) könnte als Zugeständnis interpretiert werden, allerdings waren gemäß der Satzung des RTSV von 1927 auch dessen Vereinsfarben bereits vor dem Zusammenschluss Rot und Weiß.

 

Die erste Fußballmannschaft des zusammengeschlossenen Vereins spielte sodann zwischen 1938 und 1941 in der damals höchsten Liga, der Gauliga Südwest/Mainhessen. Noch nach Beginn des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1940 wurde dem erfolgreichen Verein ein neu errichtetes, 20.000 Zuschauer fassendes Stadion am Brentanobad von der Stadt Frankfurt überlassen, welches heute im städtischen Eigentum ist und von unserer Fußballabteilung immer noch mitgenutzt wird.


1945 - 1970

Nach dem Ende des Krieges 1945 verfügten die siegreichen Alliierten eine Auflösung aller deutschen Turn- und Sportverbände und -vereine. Ab 1946 war eine Neugründung von Vereinen gemäß dem geltenden Bundesgesetzbuch auch in einer Rechtsnachfolge (es erfolgten leichte Veränderungen in den Namen der Vereine und eine Eintragung in die Vereinsregister an den zuständigen Gerichten) möglich. In diesem historischen Kontext erfolgte am 13.01.1946 die Neugründung der SG Rot-Weiß Frankfurt als reiner Fußballverein und am 27.06.1950 die Neugründung des ehemaligen Reichsbahn Turn- und Sportverein Frankfurt (Main) e.V. als

Eisenbahner-Sportverein Blau-Gold Frankfurt (Main) e.V.,

der zahlreiche Mitglieder und die meisten Sportstätten des 1945 aufgelösten Vereins übernehmen konnte, von denen allerdings heute nur noch die 1928 errichtete Tennisanlage im Besitz des Vereins ist. Nachdem der kurze Zeit später neu gegründete Landessportbund Hessen (LSBH) keine Betriebssportgruppen als Mitglieder akzeptierte, erfolgte 1956 eine Umbenennung in

Erster Sportverein Blau-Gold Frankfurt (Main) e.V..

Diese Umbenennung wurde 1970 nach einer Satzungsänderung des LSBH, der zufolge Betriebssportgruppen wieder erlaubt waren, wieder rückgängig gemacht.

Aus Zeitungsberichten geht hervor, dass sich unser Verein im Jahr 1970 noch der langen Tradition bewusst war und das 50-jährige Vereinsjubiläum mit einem Festakt im Großen Sitzungssaal der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn gebührend gefeiert wurde. Nachdem sich heute nur noch wenige Zeitzeugen der 50-Jahr-Feier unter den aktiven Mitgliedern befinden, geriet die erste Gründung unseres Vereins leider in Vergessenheit, bis die Recherchen unseres Vorstandes im Institut für Stadtgeschichte neben den bereits erwähnten Zeitungsberichten zahlreiche Dokumente aus der Vereinsgeschichte vor 1945 zu Tage brachten.


1970 - 2020

Die Letzten 50 Jahre waren geprägt von den Rationalisierungsmaßnahmen der Deutschen Bundesbahn, die auch unseren Verein massiv betroffen haben. Als Folge der neuen Wirtschaftlichkeitsdoktrin wurden uns direkte und indirekte Zuwendungen von der Deutschen Bahn gestrichen. Die jahrzehntelange kostenlose Bereitstellung von Sportstätten auf bundesbahneigenem Grund wurde ebenfalls nicht fortgeführt. Leider konnte der Verein nicht alle genutzten Liegenschaften der Bundesbahn abkaufen. So wurde z.B. das Bootshaus samt Grundstück an einen finanziell potenteren Investor veräußert. Dieser Strukturwandel führte folgerichtig bei der Mitgliedschaft zur Gleichstellung von Eisenbahnern und Nichteisenbahnern, leider aber auch zu einem Mitgliederschwund. Heute kann unser Verein stolz darauf sein, dass er seinen rund 700 Mitgliedern (von denen nur noch ca. 30 % Eisenbahner sind) immer noch Trainingsmöglichkeiten in 14 verschiedenen Sportarten anbieten kann. Nicht alle dieser Sportarten gelten als Trendsportart und die ein oder andere musste auch schon im Laufe der Jahrzehnte leider eingestellt werden (z.B. Rhönrad oder Faustball), aber es kommen auch gelegentlich neue Sportarten hinzu, wie z.B. unsere kürzlich neu gegründete Floorballabteilung.


2021

Mit der bereits im März 2020 begonnenen Corona-Pandemie durchlebt unser Verein die schwerste Krise seit der Neugründung 1950. In vielen Abteilungen kam der Sportbetrieb aufgrund der Kontaktbeschränkungen für viele Monate vollkommen zum Erliegen. Im Gegensatz zu vielen anderen bleibt unser Verein jedoch von einem befürchteten Mitgliederrückgang verschont. Dies beweist, dass unsere langjährigen Mitglieder unseren Verein eben nicht als Dienstleistungsbetrieb verstehen, dem man bei ausleibendem Angebot sofort den Rücken kehrt, sondern als Solidargemeinschaft, die auch in schwierigen Zeiten zusammenhält.

Die pandemiebedingten Beschränkungen ließen auch in 2021 eine verlässliche Planung einer 100-Jahrfeier nicht zu, sodass dieses Event frühestens in 2022 nachgeholt werden kann.

 

Steffen Kleebach, im August 202


Historische Dokumente

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